3. Tag: Pflerscher Scharte
Strecke: 25,5 km, 1368 hm
Innsbrucker Hütte - Gschnitztal - Sandestal - Pflerscher Scharte - Pflerschtal
- 9 %: Straße
- 1 %: Radweg, Teer, Nebenstraße mit wenig Verkehr
- 27 %: Feldweg, Schotter
- 63 %: Trail, Pfad
- Schiebe-, Tragepassagen
- zwischen österreichischer Tribulaunhütte und Pflerscher Scharte (ca. 600 hm)
- GPS-Track: 03TRAIL.gpx
Übersichtskarte
schwarz: Hauptroute
rot: Varianten
Wir haben in der Nacht gut geschlafen, sind ausgeruht und das Wetter ist so schön wie am Tag zuvor. Am Morgen steht noch kein Wölkchen am Himmel. Im Tagesverlauf werden nur ein paar harmlose Quellwolken entstehen. Keine Anzeichen für ein Gewitter oder gar einen Wettersturz. Gespannt machen wir uns an den Trail hinunter ins Gschnitztal. Vom Untergrund her wäre er im ersten Abschnitt nach der Innsbrucker Hütte mit Leichtigkeit fahrbar. Er ist hier aber teilweise sehr schmal und ausgesetzt, so dass ich zunächst Schieben vorziehe. Appi ist gut drauf und fährt zunächst. Dann zerren Windböen an ihm. Er hat keine Lust, in die Tiefe geblasen zu werden und schiebt nun auch das kleine Stück, bis wir sicheres Gelände erreichen. Später muss man noch ein paar Stellen überwinden, an denen Murenabgänge den Weg verblockt haben. Aber bald windet sich der Trail in unzähligen engen Serpentinen nach unten. Das ist ein Paradies für leidenschaftliche Liebhaber von Spitzkehren. Wir haben sie nicht gezählt, es müssen über Hundert gewesen sein. Als ich mir zu Hause den Track angeschaut habe, war es eine einzige Zickzacklinie. Schließlich erreichen wir den Talgrund des Gschnitztals - mehr als 1000 Höhenmeter Trailorgie liegen hinter uns. Wir grinsen uns an - dieser Trail war definitiv die Mühen des Aufstiegs vom Vortag wert.
Das Gschnitztal ist ein ruhiges Seitental des Tiroler Wipptals, dass man sonst von Steinach a. Brenner aus erreicht. Die größten touristischen Zeiten liegen wohl hinter ihm. Die rege Bautätigkeit in den letzten Jahren ist eher auf den allgemeinen wirtschaftlichen Aufschwung in Tirol zurückzuführen und ist geprägt von Wohnbauten auf eigenem Grund. Wir rasten für einen Moment und nehmen eine Kleinigkeit zu uns. Eine größere Rast haben wir erst an der Tribulaunhütte geplant, an der auf der österreichischen Seite wohlgemerkt. Zunächst fahren wir ein paar hundert Meter taleinwärts auf der Straße, bis wir nach einem Wanderparkplatz links ins Sandestal einbiegen. Hier beginnt der Forstweg, der ein paar Almen im oberen Sandestal versorgt und letztlich bis zur Tribulaunhütte führt. Bis dorthin ist der Schotterweg fast gänzlich fahrbar. Nur zum Ende hin, schon in Sichtweise der Hütte, wird es sacksteil. Hier heißt es gut überlegen, ob man die letzten Rampen durchdrücken möchte, denn eine der schwersten Schiebepassagen dieser Transalp wartet danach auf uns. Ich hatte schon bei der Auffahrt hierher ausreichend Zeit und Muße, mir den Rest des Weges zur Pflerscher Scharte anzuschauen. Mir ist klar, da ist reines Schieben oder Tragen angesagt.
Die Tribulaunhütte liegt auf einem kleinen Plateau und ist keine Alpenvereinshütte, sondern ein Haus der Naturfreunde Österreichs. Spiegeleier mit Speck und Bratkartoffeln sind eine gute Grundlage für das, was noch kommen wird. Die bestelle ich mir und warte im Gastraum auf das Essen. Appi unterhält sich derweil draußen mit einem Mann von der Tiroler Bergwacht. Er sagt, dass bis zur Hütte recht häufig Mountainbiker kommen. Die meisten würden aber wieder umdrehen und zurück ins Gschnitztal fahren, manche über den Trail im Sandestal. Die Überquerung der Pflerscher Scharte nach Südtirol tun sich wohl deutlich weniger Mountainbiker an. Auch Wanderer treffen wir heute gar nicht. Es ist ja auch keine Seilbahn in der Nähe. Frisch gestärkt machen wir uns auf den Weg. In der Pause haben wir die verschiedenen Varianten begutachtet. Es gibt wieder einen direkteren Weg und einen Pfad an der Bergflanke entlang. Da wir an der Tribulaunhütte Rast gemacht haben, wäre es sinnlos, zum Einstieg in die Direttissima wieder hinunterzurollen. Wir nehmen also den Wandersteig, der direkt am Fuß der Nordwand des Gschnitzer Tribulaun entlangführt. Obwohl es Anfang September ist, finden sich noch Reste eines Schneefeldes, das durch einen Lawinenabgang entstanden ist. Am Felsrand bildet der Schnee ein Dach, wir klettern mit den Bikes darunter hinweg. Wenn das besagte Schneefeld zu groß sein sollte, bleibt einem nichts anderes übrig, als die eher schneefreie Direttissima zu versuchen. Wir können heute gefahrlos passieren. Bei Regen ist der Weg nicht empfehlenswert, da dann Steinschlaggefahr besteht. Weiter geht es durch ein Geröllfeld. Der Weg ist erstaunlicherweise nicht grob verblockt, so dass wir leidlich gut vorankommen. Wir können die meiste Zeit das Bike neben uns her schieben. Ab und an sitzt Appi sogar auf und fährt ein paar Meter. Insgesamt sind von der Tribulaunhütte bis zur Pflerscher Scharte knapp 600 Höhenmeter zu überwinden. Zum Schluss wartet noch ein fieses Steilstück, bei dem man das Rad teilweise anheben muss. Da ist langsames, aber stetiges Gehen angesagt. Heckmair hätte seine Freude an diesem Abschnitt: "Transalp ist Bergwandern, nur dass man ein Mountainbike dabei hat."
Gute Geher benötigen rund anderthalb Stunden für diese Passage bis zur Passhöhe. Manche werden wohl deutlich länger als zwei Stunden dafür brauchen. Der Weg ist allerdings auch enorm eindrucksvoll. Direkt an den Felswänden geht es vorbei, die Aussichten sind gewaltig, alpine Hochstimmung kommt auf. Das Schild an der Pflerscher Scharte kommt nur langsam näher, noch einmal die Zähne zusammenbeißen. Dann ist es geschafft. Die Scharte markiert die Grenze zwischen Nordtirol und Südtirol, wie das Schild verkündet. Ein kleines Plateau lädt zur Pause ein. Die sollte man auch dringend einlegen und dabei die Muskulatur mit Stretching entspannen. Gut 250 Höhenmeter unter uns liegt die Südtiroler Tribulaunhütte. Dort können wir später noch einen Cappuccino zu uns nehmen. Aber zuerst lassen wir das Panorama auf uns wirken und machen ein paar Fotos. Wir fragen uns: "Was wird der Downhill bringen? Hat sich die Plagerei hinauf zur Pflerscher Scharte gelohnt?" Was wir erblicken, sieht gut aus. Die Abfahrt ist tatsächlich von ganz oben fahrbar. Es gibt nur einen ganz kurzen ausgesetzten Abschnitt, den man besser mit Schieben überwindet, wenn man sich nicht locker genug fühlt. Ansonsten verläuft der Trail bis zur Südtiroler Tribulaunhütte vorwiegend im S2-Niveau. Danach kommen auch S3-Passagen vor. Für Fahrtechniker überhaupt kein Problem. An der Hütte gibt es eine kurze flache Passage. Die Wanderer schauen verdutzt - mit Mountainbikern haben sie nicht gerechnet. Ein kleiner, klarer Bergsee liegt neben der Hütte. Bei Bedarf kann man sich dort durch einen Sprung ins kühle Nass abkühlen. Was dann folgt, ist ein einziger Singletrailtraum. Zunächst flach, dann geht es ohne Unterlass abwärts. Nur an wenigen Stellen, an denen der Weg 8 abgerutscht ist, muss man kurz absteigen. Es sind sage und schreibe gute 1300 Höhenmeter feinster Singletrail bis hinab ins Pflerschtal. Kurz vor dem Talgrund wird es im Wald etwas verblockter. Hier nicht zu früh auf die Forststraße wechseln, sondern dem Track folgen. Es folgt zum Abschluss noch ein kleiner Leckerbissen. Der Wandersteig in Richtung Innerpflersch ist zunächst fein geschottert und stößt dann auf eine Straße. Wir denken, das war's für heute - doch weit gefehlt. In der Wiese vor uns schlängelt sich ein Trampelpfad entlang. Unser Gefühl sagt uns: den fahren wir. Wir werden nicht enttäuscht. Passend zum Abschluss dieser Traumabfahrt spuckt uns der Trail nach ein paar ruppigen Abschnitten mit einigen finalen Spitzkehren im Talgrund aus. Ganz in der Nähe des Hotels Feuerstein, dass so einladend daliegt, dass wir nach Quartier fragen. Kein Problem in der Nachsaison. Wir checken zu einem fairen Preis ein. Ein feiner Wellness-Bereich zeigt uns, dass wir wieder in der Zivilisation angekommen sind.
Übernachtungstipps Pflerschtal:
Hotel Feuerstein, Tel.: 0039-0472-770126 www.hotel-feuerstein.it
oder weiter unten im Tal
Hotel Bergkristall Pflersch 88, I-39040 Pflersch/Gossensaß (BZ), Tel.: 0039-0472-770561 www.bergkristall.it