4. Tag: Bormio - Passo Foppa (Mortirolo) - Passo Tonale - Passo Campo Carlo Magno - Madonna di Campiglio
Strecke: 118,8 km, 3169 hm
Bormio - Le Prese - Sondalo - Passo Foppa - Monno - Ponte di Legno - Passo Tonale - Mezzana - Dimaro - Madonna di Campiglio
GPS-Track: 04Bormio-Madonna.gpx
Originalfahrzeit ohne Pausen: 7:29 h
Originalfahrzeit mit Pausen: 9:17 h
Übersichtskarte
schwarz: Hauptroute
Ich frühstücke ausreichend im Hotel. Beim gestrigen Bummel durch Bormio habe ich mir noch eine kleine Brotzeit besorgt, denn bei der Auffahrt zum Passo Foppa/Mortirolo werde ich keine Möglichkeit haben, irgendetwas einkaufen oder irgendwo einkehren zu können. Doch zunächst rolle ich auf dem Radweg das Valtellina in Richtung Grosio hinunter.
Sentiero Valtellina: perfekter Zubringer. Verläuft inzwischen fast durchgängig als Radweg abseits der Straße von Bormio bis an den Comer See.
Zwischen Aquilone und Le Prese sieht man noch die Spuren des gewaltigen Bergrutsches im Tal der Adda, der 1987 dazu führte, dass der Gaviapass asphaltiert wurde, da die normale Zufahrt nach Bormio verschüttet war.
Valdisotto bei Aquilone: vom Radweg aus sieht man die Stelle des katastrophalen Val Pola-Bergsturzes vom 28. Juli 1987 (detaillierte Infos dazu hier)
Kurz vor Grosio kommt dann der Abzweig nach links zum Passo Mortirolo oder Foppa.
Blick über Grosio in nördliche Richtung: der Abzweig zum Passo Mortirolo/Foppa befindet sich ungefähr in Höhe der oberen Rechtskurve der Staatsstraße
Die Auffahrt erfolgt auf einer schmalen Nebenstrecke mit meist sehr wenig Verkehr. Wer die ganz harte Tour mag, fährt weiter auf dem gut ausgeschilderten Radweg Sentiero Valtellina vorbei an Grosio und Grosotto nach Mazzo di Valtellina. Dort beginnt die sacksteile Auffahrt zum Mortirolo, wie sie meist beim Giro d'Italia gefahren wird.
Blick ins Valtellina bei der Auffahrt zum Passo Mortirolo bzw. Passo della Foppa oder wie, was?! Aufklärung folgt sogleich.
Der unterschiedliche Sprachgebrauch ist verwirrend. De facto gibt es sowohl den einen als den anderen. Der Passo del Mortirolo liegt jedoch etwas abseits der Hauptstraße, wenn es nach dem Passo della Foppa hinunter nach Monno geht. Der eigentliche Straßenpass ist der Foppa. Der Hotelchef Jim Pini vom legendären "Hotel Sassella" in Grosio hat mir die Zusammenhänge erklärt. Foppa ist wie gesagt die alte, richtige Bezeichnung für den Straßenpass. Als dann der Giro d'Italia einige Male über diesen Pass führte, benutzte ein Reporter aus Unkenntnis den Namen des Passes Mortirolo, der Luftlinie keinen Kilometer entfernt liegt, aber nur auf Schotter zu erreichen ist.
Passo del Mortirolo: Das Schild ist da! Nur zu Fuß zu erreichen oder mit dem Mountainbike auf dem Weg 435, ca. 500 m und 90 Höhenmeter oberhalb des Albergos Mortirolo.
Was der eine Reporter sagte, haben dann alle nachgeplappert und so bürgerte sich im Laufe der Zeit der "falsche" Name für den "richtigen" Pass ein. Durch die offenkundig hochwirksame normative Kraft des Faktischen ist inzwischen auch der Name "Foppa" von den Wegweisern vor Ort verschwunden. Allerdings gibt es auch eine Geschichte zum Namen des Passes von den Leuten aus dem Valcamonica, das von Grosio aus auf der anderen Seite liegt. Die sagten schon immer, dass sie zum Passo Mortirolo gehen. Also akzeptieren wir das als guten Kompromiss.
Damit wäre das geklärt. Hilft aber alles nichts bei der Auffahrt. Vom Abzweig kurz vor Grosio bis zur Passhöhe aus liegen knapp zwölfhundert Höhenmeter vor mir. Ich bin gespannt, wie lange ich brauchen werde. Nach den Erfahrungen der letzten Tage habe ich mit dem Rennrad eine deutlich höhere Aufstiegsrate als mit dem Mountainbike, was auch logisch ist. Durch die andere Übersetzung beim Rennrad bin ich mir aber nicht sicher, wie lange ich das durchhalten kann. Außerdem habe ich diesmal keine Begleiter zur Aufmunterung. Nur ca. ein halbes Dutzend Autos begegnen mir auf der ganzen Strecke. Plötzlich höre ich ein seltsam klackendes Geräusch. Hinter der nächsten Kurve sehe ich zwei Gestalten; Wanderer, wie ich vermute, doch sie sind schon wieder verschwunden. Nach ein paar engen Spitzkehren sehe ich endlich, was los ist. Zwei Männern kämpfen sich auf Skirollern den Berg hoch. Das Geräusch kommt von den Skistöcken, mit denen sie sich auf dem Asphalt abstoßen.
Fleißaufgabe: mit Skirollern von Grosio zum Passo Foppa (Mortirolo)
Sie sind ziemlich zügig unterwegs und wollen tatsächlich auch bis zur Passhöhe. Ich bin auf einem etwas flacheren Abschnitt auch nicht wesentlich schneller, schieße ein paar Fotos von ihnen und versichere sie meiner Bewunderung. Sie geben das Kompliment zurück. Dann trennen sich unsere Wege wieder - eine willkommene Abwechslung. Je höher ich komme, desto nebliger wird es. Kein Windhauch, der die feuchte Luft vertreiben könnte. Nur schemenhaft erkenne ich die Bäume um mich herum. Selbst die anfeuernden Aufschriften auf dem Asphalt scheinen zu verblassen. Ivan Basso und Cunego scheinen die Favoriten zu sein. Auch Marco Pantani bekommt seine Widmung.
Der Schriftzug ist inzwischen verblichen, die Erinnerung an Pantani lebt wohl in den Herzen der Fans weiter.
Ich glaube gelesen zu haben, dass diese Cracks nur eine knappe Stunde für die Auffahrt benötigen. Ob mit Doping und/oder Hilfsmotor im Rahmen versteckt, lassen wir mal offen. Ich brauche auf jeden Fall schon deutlich länger. Eine Stunde und fünfundvierzig Minuten sind es schließlich. Ich bin zufrieden, mir reicht's - in doppeltem Sinne.
Inzwischen hat der Passo Mortirolo aufgerüstet. Es gibt einen Container mit Möglichkeit zum Waschen, Umziehen und Aufwärmen, falls es denn notwendig sein sollte. Und ohne eine Selfie Point geht heutzutage gar nichts mehr.
Vor diesem - sollen wir sagen - Mahnmal? befindet sich noch ein stabiler Pflock, auf dem man ein Smartphone in der richtigen Höhe abstellen kann, damit das Selfie auch gelingt.
Wie dem auch sei, damals habe ich noch an einem Holzpfahl diesen verblichenen Schriftzug vorgefunden.
Historisches Foto: Passo Foppa - so stand es damals auf dem Schild geschrieben! Was währt schon ewig?
Bei der Abfahrt lege ich im ersten Ristorante einen Stopp ein, um mich aufzuwärmen und einen Cappuccino zu trinken. Dabei wird es langsam etwas heller. Der Pass ist offensichtlich eine Wetterscheide.
Albergo Mortirolo
Danach hangele ich mich weiter nach unten, durch die leichte Restfeuchte ist die Straße unangenehm glatt. An der Staatsstraße angekommen, schlägt mir das Gedröhn von Motorrädern entgegen. Die wenigsten nehmen heute den Weg zum Passo Foppa, was mir nur recht ist. Ich mache eine Pause und muss mit mir selber ausmachen, wie die Route weitergehen soll. Nach rechts und bergab in Richtung Edolo wäre ich dem Verkehr ausgesetzt, wie ich weiß. Nach links geht es zum Passo Tonale, allerdings muss es Nebenwege geben und die kundschafte ich nun aus. Eine zweiter Grund für die Entscheidung "links" statt "rechts" ist die ungewisse Wetterlage. Hochliegende Schleierwolken machen die weitere Entwicklung unsicher. Wenn ich heute noch über den Tonale fahre, wäre ich im Val di Sole und könnte mein Ziel, den Gardasee, auch bei schlechteren äußeren Bedingungen erreichen - zur Not ganz einfach über den Radweg im Etschtal. Aus Gewichtsgründen habe ich nur eine dünne Regenjacke und sonst das Notwendigste dabei. Mein Rucksack Deuter Speed Lite 30 wiegt mit Inhalt gerade einmal vier Kilogramm. Also auf zum Passo Tonale, oben werde ich entscheiden, wie weit es heute noch gehen wird. Der Verkehr nimmt zum Glück ab und nach ein paar Minuten kann ich nach rechts auf den Radweg Richtung Ponte di Legno wechseln. Schnell ist Vezza d'Oglio erreicht. Es klart weiter auf.
Vezza d'Oglio: rechts an der Waldkante verläuft der Radweg im Valcamonica, der Einschnitt im Hintergrund links ist der Passo Tonale
Auf dem Radweg komme ich nahezu geräuschlos bis kurz hinter Ponte di Legno, wo ich wieder auf die Staatsstraße wechsle.
Ponte di Legno: hier beginnt die Straßenauffahrt zum Passo Tonale
Der Passo Tonale ist mit dem Rennrad wirklich leicht zu fahren. Selbst mit dem Mountainbike konnte ich meist auf dem mittleren Kettenblatt bleiben. Unterwegs will ich mir im "La Roccia" einen Kaffee genehmigen. Als ich die Gaststube betrete, merke ich schnell, dass das heute hier wohl nichts wird. Im typischen italienischen Ausflugslokal ist das Personal gerade mit dem Auftragen der Speisenfolge beschäftigt. Alle wuseln geschäftig hin und her. Da wird sich in absehbarer Zeit wohl keine Hand zum Bedienen des Espressoautomaten finden. Ich mache also kehrt, steige aufs Rad und tröste mich mit dem Gedanken, dass mein "Stamm"-Cafe am Passo Tonale sicher geöffnet ist.
Panorama über den Passo Tonale zur Adamello-Presanella-Gruppe
Mein "Stamm"-Cafe am Passo Tonale hat in der Tat auf, wie ich wenig später feststellen kann. "Vorrei un cappuccino, per favore", sage ich und prompt wird mein Wunsch erfüllt. Im Gastraum ist es heimelig warm, ich checke durch die Fensterscheiben die Wolkendecke. Aha, zum Val di Sole hin gibt es deutliche Aufhellungen. Alles wird gut.
Passo Tonale bei einer Tourrecherche nach frühem Wintereinbruch: gegenüber vom Kriegerdenkmal ist die Kaffeestube
Ich beschließe, heute die Marke von 3000 Höhenmetern zu knacken und bis nach Madonna di Campiglio zu fahren. Vorsichtshalber sende ich Matteo vom "Hotel Arnica" eine SMS und frage ihn, ob er ein Bett für mich hat. Die Antwort kommt prompt und lautet. "Ja." Also los. Der Weg im Val di Sole ist mir ausreichend bekannt. Bis Fucine bleibe ich auf der Straße.
Traumstrecke im Val di Sole: Blick zurück in Richtung Passo Tonale, unten im Tal verläuft die Strecke der Rennrad Transalp auf der Straße bis Fucine
In Fucine wechsle ich auf den Radweg "Val di Sole", der schön angenehm abwärts verläuft. Es rollt wie von selbst. In Dimaro schaue ich kurz im B&B Jolly vorbei, das direkt am Weg liegt. Der Chef Roberto spricht gut deutsch und ist bestens auf Biker eingestellt. Wenn es also etwas zu richten gibt, ist man hier gut aufgehoben.
BB Jolly in Dimaro: gut aufgeräumte Bikewerkstatt
Ich trinke eine Cola und schiebe ein Brioche in mich hinein, um mich für den finalen Aufstieg nach Madonna zu wappnen. Diese restlichen rund neunhundert Höhenmeter bin ich bisher stets auf Schotter und mit dem Mountainbike gefahren. Diesmal also auf der Straße. Ich denke mir, so schlimm wird es schon nicht kommen. Es geht so einigermaßen, aber ca. beim Erreichen der 3000 Höhenmeter-Marke kommt dann doch spürbare Unlust in mir auf. Es zwickt hier, dann zwackt es da im Rücken und so richtig Spaß macht das Sitzen im Sattel auch nicht mehr. Nach oben hin wird es zu meinem Glück zunehmend flacher und endlich erreiche ich den Passo Campo Carlo Magno.
Passo Campo Carlo Magno mit Blick zur Brenta: gleich ist es geschafft!
Danach geht es nur noch kurz bergab und ich erreiche erleichtert und zufrieden mein Stammhotel "Arnica". Jetzt wird erst einmal gedopt: ein Hefeweizen und ein Grappa. Geht doch.
Meine Albrecht-Route ist inzwischen in Madonna di Campiglio im Sommergeschäft ein schöner Nebenerwerb.
Übernachtungstipp Ponte di Legno
Ponte di Legno: Hotel Raggio di Luce, Chefin Carla spricht perfekt deutsch, sichere Bikegarage mit Waschmöglichkeit, Wäscheservice auf Anfrage
25050 Temu, Via Valeriana 46 - loc. Plazza (Vorort von Ponte di Legno)
Tel. +39 0364 900852 - mobil. +39 338 1140510
Auf Anfrage bereitet Carla gerne ein Abendessen zu mit Produkten aus der Region und aus ihrem Bio-Garten direkt am Haus (siehe auch folgendes Bild).
Übernachtungstipp Passo Tonale
Hotel delle Alpi - Via Circonvallazione, 20, 38029 Passo del Tonale, Telefon: +39 0364 903919
Übernachtungstipps:
- Dimaro: B&B Jolly, +39-0463-974206, Via Gole 154, Roberto spricht sehr gut deutsch, www.jollydimaro.it
Übernachtungstipps Madonna di Campiglio
Hotel Arnica: Via Cima Tosa 32, I-38086 Madonna di Campiglio tel +39 0465 442227 www.aristonarnica.it